Microbielle Verwertung eines Nebenstroms aus der Textilfaser-Industrie

Auf dem Weg zu einer nachhaltigen Zukunft ist der Ersatz fossiler Verbindungen durch Alternativen aus erneuerbaren Ressourcen von großer Bedeutung. In diesem Zusammenhang ist die effiziente Nutzung von Nebenströme bestehender industrieller Prozesse von großer Bedeutung. Einer dieser potenziellen Nebenströme entsteht bei der Textilfaserproduktion in den Bioraffinerieanlagen der Lenzing AG. Holz besteht im Wesentlichen aus drei verschiedenen Stoffen: Cellulose, Hemicellulose und Lignin. Beim Sulfitverfahren wird die Cellulose von der Hemicellulose und Lignin getrennt und es entsteht Zellstoff. Zellstoff ist das Ausgangsmaterial für verschiedene Fasern wie Viskose, Lyocell oder Modal. Während diese Fasern zu Textilien weiterverarbeitet werden, verbleiben Hemicellulose und Lignin in einem Nebenstrom, der so genannten Sulfitablauge (Spent Sulfite Liquor - SSL). Bislang wird dieser Nebenstrom hauptsächlich zur Energiegewinnung verbrannt. Die Zucker der Hemicellulose können jedoch in mikrobiellen Fermentationen effizienter genutzt werden, während Lignin und seine Derivate als Zusatz- und Ausgangsstoff für verschiedene Produkte dienen können.

 

 

Mikrobielle Umwandlung in Milchsäure

Im Rahmen eines COMET-Projekts wurden die Hemicellulose-Zucker der Sulfitablauge aus einer Zellstofffabrik (Lenzing Biocel Paskov, CZ) durch mikrobielle Fermentation in Milchsäure umgewandelt.

Milchsäure ist eine organische Säure, die als Säuerungsmittel und Aromastoff in der Lebensmittel- und Pharmaindustrie verwendet werden kann. Außerdem kann sie in Polymilchsäure (PLA) umgewandelt werden, eine biologisch abbaubare Alternative zu fossilen Kunststoffen. 

Um Milchsäure aus dem Nebenstrom zu produzieren, wurde SSL in einem ersten Schritt in einen Zuckersirup (HDSS – Hemicellulose derived sugar syrup) und eine Lignosulfonatfraktion getrennt. In einem nächsten Schritt wurden verschiedene Bakterien auf ihre Fähigkeit hin getestet, auf HDSS zu wachsen. Schließlich wurden Milchsäurebakterien auf drei verschiedene Eigenschaften hin untersucht: die Fähigkeit, alle im HDSS vorhandenen Zucker umzuwandeln, das Fehlen jeglicher Nebenprodukte und ihre Fähigkeit zur Produktion optisch reiner L-Milchsäure. Nach der Optimierung des Fermentationsprozesses wurde die vollständige Umwandlung von allen Zuckern des HDSS in optisch reine L-Milchsäure mit dem Milchsäurebakterium Enterococcus mundtii erreicht.

 

 

Wirkungen und Effekte

Mit dem gewählten Prozess ist es möglich, alle drei Hauptbestandteile von Holz, Cellulose, Hemicellulose und Lignin, zu nutzen. Die Cellulose wird direkt für die Textilproduktion verwendet, die Hemicellulose wird zu Milchsäure umgewandelt und das Lignin kann als Zusatzstoff verschiedener Produkte in Form von Lignosulfonaten verwendet werden. Damit ist eine hocheffiziente Nutzung des im Holz vorhandenen Kohlenstoffs möglich. Die erreichten Ausbeuten und Produktivitäten liegen zudem in einem wirtschaftlich relevanten Bereich und unterstreichen damit das Potenzial dieses Verfahrens für die industrielle Umsetzung. Diese Studie ist ein überzeugendes Beispiel für die Veredelung eines vielseitigen Rohprodukts zu einem kostbaren Wertstoff und hat Modellcharakter für die Aufwertung von industriellen Nebenströmen.

 

 

Projektpartner

  • Lenzing AG
  • Amalgamated Research LLC
  • Universität für Bodenkultur Wien